Friedensfahne in Rom am 12. April 2003

 

 

 

 

 

 

PAZIFISMUS

 

 

 

 

 

 

Inhalt:

Frieden – Versuch einer Definition

FEINDE

Brief an das Kasseler Friedensforum

Leserbrief an die Frankfurter Rundschau

Brief zum Kosovo-Krieg

Claude AnShin Thomas, ein amerikanischer Pazifist

Buddha – Lao Tse – Immanuel Kant, drei Pazifisten (Texte)

Ein Militärpfarrer (Aus: Der Ritt auf dem Ochsen…)

Die unsichtbaren Wunden des Krieges - Eine etwas andere Rezension

Nachtrag auf den Einwand „Der Innere Friede Genügt Nicht.

FRIEDEN nach dem Krieg im Irak – aber wie? Fragen an die Friedensbewegung

Krieg und Eros

„Gruß nach vorn - Über Karlheinz Deschners Buch DER MOLOCH (Geschichte der USA)

Kriege und ihre Ursachen – I. und II. Weltkrieg

Firma Bundeswehr?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frieden – Versuch einer Definition

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frieden bedeutet vollkommene Harmonie menschlichen Seins. Ein Idealzustand, der global, also zwischen Nationen und Völkern, wohl nie ganz erreicht werden kann. Denn es gibt keine konfliktfreie Welt. Zwar können Konflikte friedlich im Sinne von »gewaltfrei« gelöst werden - das geschieht ja auch bisweilen und sollte stets angestrebt werden -, aber Geschichte und Gegenwart belehren uns eines Schlechteren. Herrschaftsinteressen, Machtpoker, Nationalismus, religiöse Wahnvorstellungen und nicht zuletzt die materialistische Wachstumsideologie der Wirtschaft stehen dem Frieden im Wege.

Frieden erfordert eine soziale und ökologische Politik, die bemüht ist, ein dynamisches Gleichgewicht, also auch Kompromisse, zwischen gegensätzlichen Interessen auszuhandeln.

Frieden mit sich selber und mit anderen kann jede/r Einzelne „schließen. Wer in Frieden mit sich selber lebt, befindet sich im Einklang mit seiner „Gefühlswelt und mit der natürlichen Welt. Es gibt keine Feindseligkeit, keine „inneren Feinde, die aus dem Unbewussten nach außen, auf andere und anderes projiziert werden. Das nenne ich vollkommene Harmonie menschlichen Seins.

Nach meinem zen-buddhistischen Weltverständnis sind wir mit allem verbunden und hängen alle von einander ab. Als winziger Teil des Ganzen, das wir Kosmos nennen, ist es unsere Aufgabe als Menschen, untereinander für gerechten Ausgleich zu sorgen, Frieden zu stiften und mit allem, „was die Natur wachsen lässt, achtsam umzugehen, Pflanzen und Tiere zu schützen, unsere Ressourcen zu schonen und so zu leben, dass niemand und nichts Schaden nimmt.

Unsere Verantwortung für das Leben auf unserm Planeten und damit für den Frieden wird von Tag zu Tag größer, denn von Tag zu Tag steigert sich das Vernichtungspotential, das von Menschen geschaffen wird. Es hat bereits übermenschliche Ausmaße erreicht und kann, wenn zum Beispiel Gen- und Nanotechnik ausgereift sind und nicht behutsam angewendet werden, völlig außer Kontrolle geraten.

Auch wenn es in manchen Ohren lächerlich klingt (da sollte man sich fragen, warum?): Eine Frieden schaffende Kraft ist Güte oder, wie die buddhistische Nonne Chan Khong sagt: »Liebe zu allen Wesen«

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* Chan Khong: Aus Liebe zu allen Wesen
Mein Weg, meine Visionen, meine Sangha.Vorw. v. Thich Nhat Hanh u. Maxine Hong Kingston
THESEUS 1995.

Preis und Rezension dieses Buches:

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/389620078X/qid%3D1071147700/028-9111873-4532532

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Recklinghäuser Bürger und Bürgerinnen protestieren gegen den Krieg im Irak.
 Stoffstreifen mit ihrer Unterschrift werden an ein Transparent genäht. März 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FEINDE

 Der Feind ist nirgend anderswo als in uns selbst.

 Ist der äußere Feind nicht eine Projektion dieses inneren? Feindbilder verstellen uns den Weg zu Einsicht, Aussöhnung und Verständigung und damit zu einem friedlichen und kooperativen Miteinander. Gewalt, Krieg und Terror sind damit nicht aus der Welt zu schaffen.

 Die Gräueltaten des Nationalsozialismus zeigen uns, wessen der Mensch fähig ist - der Mensch, nicht das Tier! Insofern ist der (anthropozentrische) Begriff Humanität mit allen Ableitungen falsch. Menschlich ist irren. Und eins der schlimmsten und folgenschwersten Irrtümer war der Nationalsozialismus mit seinen ideologischen Vorläufern. Er war bis zum kollektiven Wahnsinn gesteigerte Selbstüberschätzung: Hybris, deren tiefere Ursache eben der Feind in uns selber ist, den wir als Bild, auf andere projiziert, vor uns hertragen.  

 Wir empfinden Genugtuung, wenn Verbrechen bestraft werden, wenn unser Bedürfnis nach Rache und Vergeltung befriedigt wird, wenn unser Hass abreagiert wird, auf legale Weise, stellvertretend für uns durch den Richter und durch den Henker.

 Die buddhistische Psychologie veranlasst uns, unseren innersten Beweggründen nachzuspüren. Wer dabei die menschlichen Abgründe gesehen hat und nicht selber hineingestürzt ist, ist alle Illusionen los, aber vielleicht dennoch fähig, Güte und Nachsicht zu üben -  ohne Ausnahme.

Es kommt darauf an, in jedem Lebewesen (und das sind ja nicht allein wir Menschen) sich selbst und sich selber in jedem Lebewesen zu achten.

 

© Dietrich Stahlbaum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brief an das Kasseler Friedensforum:
zum Programm des 3.Friedenspolitischen Ratschlages:

Liebe Friedensfreunde und -freundinnen,

ins Zentrum jeder friedenspolitischen Erörterung gehört, nach meiner Erkenntnis, die ÖKOLOGIE als existenzielle Herausforderung.

Die Militärpolitik des (reichen, maßlos verschwenderischen)  Westens, die wir zu Recht kritisieren, dient in erster Linie der Sicherung von Ressourcen, billigen Produktionsstätten und von Märkten, mit einem Wort: von Wirtschaftsräumen und somit der Befriedigung unserer eigenen materiellen Bedürfnisse auf Kosten anderer Völker und Nationen ("2." und "3.Welt") und zum Schaden des Planeten, auf dem wir leben.

Daher meine These:

Eine Abkehr von dieser Militärpolitik ist nur möglich, wenn wir mit einer großen Mehrheit der Bevölkerung bereit sind, unsere Lebensweise den ökologischen und sozialen Erfordernissen anzupassen und die globalen Grenzen des materiellen Wachstums zu respektieren.

Wie ist dies zu erreichen? Eine psychologische, eine kulturelle, eine politische Frage. 

Sollten wir nicht erst einmal versuchen, diese Frage - jeder/jede für sich und dann alle gemeinsam -  zu beantworten?

Und müssen wir selber nicht unsere anthropozentrische Denk- und Lebensweise aufgeben und uns radikal ändern?

 

Mit friedlichen Grüßen: Dietrich Stahlbaum

9.Oktober 1996

*

9. 12. 96:  Die Natur hat  die Aussichtslosigkeit dieses Unternehmens erkannt und dichten Nebel geschickt!

*

Die NATO als Friedensengel und Garant der Menschenrechte: so wird sie uns in den Massenmedien präsentiert. Da müsste die Türkei längst aus diesem Militärbündnis ausgeschlossen sein. Oder gilt die NATO-Satzung nicht mehr? Hat sie je gegolten?

Was sich hinter dem nüchternen Hightec-Militarismus verbirgt, die militärischen Rituale bei Staats- besuchen machen es sichtbar: das alte Patriarchat in neuem Gewand. Keine Herrschaft ohne "Leibgarde". Selbst die "Volksherrschaft hat ihr Vaterland, und dieses braucht solche Muskelspiele als Ausdruck seiner vermeintlichen Souveränität. Die Toppmanager der Multis schauen solchem martialischen Gehabe von ihrem Steuerparadies aus mit großem Vergnügen zu. Wo noch ans Vaterland geglaubt wird, da wird sich keine Solidarität gegen das internationale Kapital organisieren können. (1996)

 *

Ein Leserbrief an die Frankfurter Rundschau:

In der Tat, es ist ein Skandal, wenn bei der Bundeswehr anachronistische Symbole geduldet werden. Das Adlersymbol befindet sich jedoch nicht allein auf der ehemaligen Reichskriegsflagge - der Adler ist auch heute Wappentier unserer Republik. Hat man über seine Bedeutung nie nachgedacht?

Der Adler ist, bekannterweise, ein Raubvogel. Er überfällt mehr oder minder friedliche, stets jedoch schwächere Tiere und frisst sie auf. Oder er füttert damit seine Jungen. Wegen seiner Körpergröße, der Spannweite seiner Flügel (beim Steinadler bis zu 2 m), dem wuchtigen Hakenschnabel und wegen seiner gewaltigen Krallen in der Tierwelt gefürchtet, ist er uneingeschränkter Herrscher seines Reviers. Dennoch wird ihm niemand Bösartigkeit unterstellen. Denn seine Jagdgewohnheiten sind ihm angeboren. Sie gehören zu seinem Naturell. Sie sichern ihm seinen Platz in der natürlichen Ordnung.

Diese Eigenschaften des Adlers haben bereits vor Tausenden von Jahren Menschen auf sich und ihresgleichen bezogen. Sie identifizierten sich, ihre (Feld-)Herren, ihre Kaiser, ihre Götter mit dem Vogel. Sogar das Christentum macht da keine Ausnahme, ist er doch Kennzeichen des Evangelisten Johannes.

Seit römische Imperatoren morden, plündern, brandschatzen und versklaven ließen, symbolisiert der Adler als Wappentier imperialen Herrschaftsanspruch, so auch im Deutschen Kaiserreich, unter anderem auf den Flaggen und Standarten der Reichskriegsmarine.

Was hat er denn eigentlich noch in unserm Bundestag, an Gebäuden, auf Briefköpfen und Stempeln von Bundesbehörden zu suchen? Selbst ein "abgespeckter" Adler ist und bleibt ein Adler, und sei es als Karikatur.

 F. R., 17.1.2002

 *

 Ein Brief zum Kosovo-Krieg:

Können wir das Leiden aller Menschen, der Opfer und der Täter dieses Krieges, mitempfinden? Auch das Leiden der Tiere?

Auf keiner Seite der Kriegsparteien stehend, sondern dazwischen, versuche ich, die Motive, Ziele, Absichten und Handlungsweisen beider zu verstehen, was nicht heißt, sie zu billigen, sie zu rechtfertigen.

Wo der Wahnsinn um sich greift, auf der einen Seite kalter Wahnsinn, der am Schreibtisch vorm Computer die militärischen "Operationen" plant und sie durchführen lässt, auf der anderen Seite heißer Wahnsinn, angetrieben von Wut, Hass, Rachegefühlen, da helfen keine moralischen Appelle, da bewirken Schuldsprüche nichts. Die Stimmen einzelner werden sowieso überhört. Denn Verblendete nehmen allein das wahr, was ihrem Wahn-Sinn entspricht, nicht die ganze Wirklichkeit.

In den USA ist es der Glaube an die eigene Omnipotenz gegenüber allem, was lebt, mittels Technik und Kapital; in den übrigen NATO-Staaten ist es die Faszination dieses technokratischen Globalismus, und es ist die Furcht, von solcher Welt- und Erdherrschaft ausgeschlossen und "untergebuttert" zu werden.

In Serbien ist es ein Atavismus: extreme Brutalität, die sich fast überall da breitmacht, wo ungelöste ethnische Probleme und Konflikte von Jahrhunderten durch Gewaltsysteme verdrängt und unterdrückt worden sind. Außerdem haben andere europäische Staaten (nicht allein Deutschand und Österreich!) den konfliktträchtigen Balkan nie zur Ruhe kommen lassen, sondern erheblich zu dieser Situation beigetragen.

Ähnliches geschah in Afrika, als die Folgen kolonialistischer Herrschaft offen zu Tage traten: die indigenen soziokulturellen Strukturen waren weitgehend zerstört. Auch auf diesem Kontinent sind die Ethnokriege noch nicht beendet, weil Industrienationen, anstatt Frieden stiftend zu wirken, einen neuen Kolonialismus betreiben und afrikanische Staaten gegeneinander aufrüsten.

Wir Menschen sind nicht so friedlich, wie wir aussehen, wenn wir schlafen. Wir sind eher bereit, Gewalt anzuwenden oder, stellvertretend für uns, anwenden zu lassen, als uns in Mitmenschen und Völker, die große Probleme haben und uns fremd oder gar feindselig und bedrohlich erscheinen, hineinzuversetzen, uns mit ihnen zu verständigen und uneigennützig zu helfen. 

 
Wir haben eine gewalttätige Gesellschaft errichtet, und wir sind gewalttätig. Unsere Umgebung und die Kultur, in der wir leben, sind das Produkt unserer Kämpfe, unseres Schmerzes und unserer entsetzlichen Grausamkeiten. Die wichtigste Frage lautet also:  Ist es möglich, dieser Gewalt in einem selber ein Ende zu setzen?

Ein Zen-buddhistischer Mönch in dem koreanischen Film Warum Bodhi-Dharma in den Orient aufbrach.

Recklinghäuser Zeitung, 21.5.1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einer der letzten buddhistischen Wandermönche:

Claude AnShin Thomas, ein amerikanischer Pazifist

»Den Mut haben, die Gewalt in uns selbst zu heilen«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ohne Tross, ohne Geld, nur mit dem Nötigsten im Rucksack, wandert Claude AnShin Thomas quer durch Europa, von Budapest nach Mauthausen in Österreich und weiter nach Bergen-Belsen. Es ist der Leidensweg der ungarischen Jüdinnen und Juden. Sie wurden 1944 von den Nazis zu Fuß in den Westen getrieben – in die Todeslager. Hunderttausende von ihnen starben schon unterwegs, erschöpft, erfroren, verdurstet, verhungert, oder sie wurden erschossen. Nur wenige, die das „Ziel erreichten, haben überlebt.

   Claude AnShin begann diese Pilgerwanderung Mitte August. Ende Oktober will er das ehemalige KZ Bergen-Belsen erreichen. Claude will darauf aufmerksam machen, dass die Wurzeln der Gewaltsamkeit in uns selbst verborgen sind und dass Kriege nur vermieden werden können, wenn wir uns selber ändern, jeder Einzelne von uns.  

 

 

 

 

 

 

 Er sagt, „sich selbst zu heilen, das ist das grundlegendste Element der Friedensarbeit. Dies ist nicht nur ein politischer Prozess. Es ist kein äußerer Prozess und auch kein intellektueller. Heilung geschieht ganz individuell, braucht Zeit und Unterstützung, kann nicht gesetzlich vorgeschrieben, verordnet oder befohlen werden. Heilung setzt ein spirituelles Erwachen voraus, das weder notwendig religiös ist, noch auf bloßer Hingabe basieren muss. Es ist eine Erfahrung zutiefst persönlicher Natur. Wenn diese nicht innerlich vollzogen wird, dann werden wir als Menschen und auch unsere Gesellschaft und Kultur weiterhin mehr und mehr Leiden schaffen, weil wir auch in Zukunft unser eigenes Leid ausagieren müssen. *

Was dies bedeutet, das hat er selber erfahren. Claude war 1966-67 Hubschrauberkommandant im

Vietnamkrieg. Mit 17  freiwillig zum Militär, wird er als 19-Jähriger schwer verwundet und hoch dekoriert nach Hause geschickt. Er ist stigmatisiert. Er  fühlt sich für den Tod vieler Menschen verantwortlich und betäubt sich mit Medikamenten, Drogen, Alkohol - die Vergangenheit lässt ihn nicht los. 

     1990 – 23 Jahre später -  begegnet er dem Zen-Lehrer Thich Nhat Hanh, der nicht mehr nach Vietnam zurückkehren darf, in den USA ein buddhistisches Zentrum gegründet hat und Vietnam-Veteranen betreut. Hier lernt Claude, über seine Erfahrungen zu sprechen und sich von seinem Kriegstrauma zu befreien. Er lebt mehrere Jahre in Plum Village, einem neuen Zentrum in Südfrankreich. Er wird Mönch und Lehrer des Zen. Er wird im Peace-Maker-Orden aktiv. Er veranstaltet Seminare und Straßenretreats und betreut Strafgefangene. Er pilgert, von einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter begleitet, durch die USA, Asien und Europa, mitten durch Kriegsgebiete. In Bosnien sprach er mit Scharfschützen beider Seiten, in Wien

und Rom zu Studenten und Professoren. Ein echter Bhikkhu, der nichts besitzt als zwei paar Schuhe und seine drei Roben, ein Hausloser wie zu des Buddhas Zeiten: Claude AnShin. 

     Im April 2002 bin ich ihm bei seinem Vortrag über „Die Grundlagen des Friedens in Bochum begegnet. Wir hatten ein langes und sehr bewegendes Gespräch. Denn auch ich bin als Soldat in Vietnam gewesen, 1951-54, als Pazifist heimgekehrt und Buddhist geworden – dank eines Vietnamesen:  Thich Nhat Hanh.       

 

 

 

 

 

 

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* Aus: Eine Pilgerreise. Über den Mut, die Gewalt in uns selbst zu heilen,  ein Vortrag, 1995
Fotos: Copyright © by Netzwerk engagierter Buddhisten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Buddha – Lao Tse – Immanuel Kant, drei Pazifisten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Denn niemals hört im Weltenlauf
Die Feindschaft je durch Feindschaft auf.
Durch Liebe nur erlischt der Hass,
ein ewiges Gesetz ist das.

(Aus dem  Dhammapada )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BUDDHA (ca. 560-480)

 

 

 

 

 

 

Dies ist ein Gedicht aus einer der ältesten Sammlungen von Texten nach der Lehre des GAUTAMA BUDDHA, zu Deutsch: dem „Pfad der Lehre, der Wahrheit. Die vierhundert Jahre lang mündlich überlieferte Lehre wurde zum ersten Mal gegen Ende des 1. Jh. v. u. Zr. aufgeschrieben bzw. in Palmenblätter eingeritzt. Diese Quellen-Texte können als authentisch gelten, denn in ihnen kommt unverfälscht das zum Ausdruck, was der Buddha dachte, lehrte und lebte: eine Friedsamkeit, die sich auf alle Menschen, die ihm begegnet sind, übertragen hat, sogar auf einen Mörder.

Die nachfolgenden Texte und Zitate  –  sie sind alle aus dem ältesten Schriftgut -   bezeugen einen Pazifismus,  der tief in uns Wurzeln schlagen muss, wenn die Menschheit nicht zu Grunde gehen soll. Der Buddha hatte die Ursachen menschlichen Leidens erkannt und daraus Lebensregeln entwickelt, die er zu befolgen empfohlen und nicht befohlen hat. In der deutschen Übersetzung hat man diese Regeln in Anlehnung an die christlichen Gebote leider dogmatisiert.

Aus dem Majjhima Nikaya, der Mittleren Sammlung:

„Darum also, Phagguno: wenn auch irgendeiner dir gegenüber Tadel aussprechen mag, so magst du, Phagguno, alle gemeinen Regungen, alle gemeinen Erwägungen verleugnen, so hast du dich, Phagguno, solcherart wohl zu üben: 'Nicht soll mein Gemüt verstört werden, kein böser Laut meinem Munde entfahren, freundlich und mitleidig will ich bleiben, liebevollen Gemütes, ohne heimliche Tücke': solcherart hast du dich, Phagguno, wohl zu üben.

Darum also, Phagguno: wenn auch irgendeiner dich mit Fäusten schlüge, mit Steinen würfe, mit Stöcken prügelte, mit Schwertern träfe, so magst du, Phagguno, alle gemeinen Regungen, alle gemeinen Erwägungen verleugnen, so hast du dich, Phagguno, solcherart wohl zu üben: 'Nicht soll mein Gemüt verstört werden, kein böser Laut meinem Munde entfahren, freundlich und mitleidig will ich bleiben, liebevollen Gemütes, ohne heimliche Tücke': solcherart hast du dich, Phagguno, wohl zu üben".

(Kakacúpama Sutta, Das Gleichnis von der Säge)

"Was ist es aber, o Herr, für ein Betragen in Taten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? 

Da hat einer, o Herr, das Morden verworfen, vom Töten hält er sich fern; Stock und Schwert hat er abgelegt, er ist mild und teilnehmend, voll Liebe und Mitleid zu allem was da lebt und atmet.

(Sevitabbásevitabba Sutta, Zu tun und nicht zu tun)

„Lebendiges umzubringen vermeiden, heißt es in der Cattárisaka Sutta.

Zu den „Zehn Observanzen  - Dasasikkhápadam  - gehört die „Observanz: Enthaltung von Zerstörung von Leben.
 

Aus den Aphorismen Buddhas

Weit Schlimm'res, als ein Feind dem Feind je angetan,

Tut dem das Denken an, der's nicht beherrschen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus den Lehr-Dichtungen SUTTA-NIPÁTA

Güte (Mettá-Sutta)

 

 

 

 

 

 

Keiner soll den anderen hintergehen;
Weshalb auch immer, keinen möge man verachten.
Aus Ärger und aus feindlicher Gesinnung
Soll Übles man einander nimmer wünschen!

  Wie eine Mutter ihren eigenen Sohn,
Ihr einzig Kind mit ihrem Leben schützt,
So möge man zu allen Lebewesen
Entfalten ohne Schranken seinen Geist!

  Voll Güte zu der ganzen Welt

Entfalte ohne Schranken man den Geist:
Nach oben hin, nach unten, quer inmitten,
Von Herzens-Enge, Hass und Feindschaft frei!

Dhammapada: Yamaka - Spruch-Paare

1
Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
Kommt aus getrübtem Geist dein Wort und dein Betragen.
So folgt dir Unheil, wie dem Zugtier folgt der Wagen.
 2
Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
Entspringen reinem Geist dein Wort und deine Taten,
folgt das Glück dir nach, unfehlbar wie dein Schatten.
3
"Beraubt bin ich, besiegt, geschlagen und geschändet",
Solange man so denkt, wird Feindschaft nicht beendet.
4
"Beraubt bin ich, besiegt, geschlagen und geschändet'',
Wenn man so nicht mehr denkt, wird Feindschaft bald beendet.

Man denkt oft nicht daran, sich selbst zurückzuhalten;
Wer aber daran denkt, der lässt den Zorn erkalten.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LAO TSE (ca. 570-470)  

 

 

 

 

 

 

Lao Tse hat dem einzelnen Menschen ebenfalls Gewaltlosigkeit, Verständnis und Güte nahe gelegt, anders als Buddha jedoch dem Staat das Recht auf Notwehr und Verteidigungskrieg nicht aberkannt. Aber auch er hat jeglicher Waffengewalt Politik und Diplomatie vorgezogen, das Bemühen um Verständigung und Ausgleich der Interessen. Den Soldaten nannte er Regeln, die der Genfer Konvention von 1864 ähneln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Tao Te King

 

 

 

 

 

 

30. WARNUNG VOR GEWALTANWENDUNG

Wer sich durch das Tao vornimmt, dem Herrscher über Menschen zu helfen,
wird sich jeglicher Eroberung durch Waffengewalt entgegenstellen,
denn eine solche muss notwendig zurückprallen.
Wo Heere sind, wachsen Dornen und Gestrüpp.
Die Aushebung einer großen Streitmacht
Hat ein Jahr der Dürre im Gefolge.
Darum erreicht ein guter Heerführer sein Ziel und hält ein.
ER wagt es nicht, sich auf die Stärke der Waffen zu verlassen.

(…) Erreicht sein Ziel als bedauerliche Notwendigkeit,

(…) doch  liebt er nicht Gewalt.

 

31. WAFFEN DES BÖSEN 

Unter allen Dingen sind Soldaten (Waffen)Werkzeuge des Bösen,
den Menschen verhasst.
Darum meidet sie der religiöse Mensch(….)

Wenn man nicht anders kann,  als Soldaten (Waffen) zu verwenden,
ist die beste Politik ruhige Zurückhaltung.

Sogar im Sieg liegt keine Schönheit (…)
Ein Sieg müsste mit dem Bestattungsritus gefeiert werden. 

75 (31) Nun, Waffen sind eine unheilvolle Gerätschaft.
Allgemein sind sie verachtet.
Also wird, wer etwas will, dabei nicht verweilen.
Wen er nicht umhin kann, gebraucht er sie –
Ihm gilt Stillhalten das Höchste.
Finde keinen Gefallen daran.
Denn Gefallen daran zu finden,
das heißt: sich freuen, Menschen zu töten.
Nun, sich daran freuen, Menschen zu töten –
So kann in der Welt keine (gute) Absicht verwirklicht werden.
Werden Menschenscharen getötet,
dann begegnet man dem mit Trauer und Schmerz.
Wird im Kriege gesiegt,
dann  begeht man dies mit einem Trauerritus.

(Dies ist eine Übersetzung aus den wohl ältesten Seidentexten von Mawangdui, die erst kürzlich bei Ausgrabungen in China gefunden wurden.)

 

68. DIE TUGEND DES NICHTSTREBENS 

Der tapfere Soldat
ist nicht gewalttätig.
Der gute Kämpfer wird nicht zornig.
Der große Eroberer kämpft nicht....

 

69. TARNUNG 

Es gibt die Regel der Militärstrategen:
Ich wage es nicht, als erster anzugreifen,
und ich bin lieber der Angegriffene.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

IMMANUEL KANT (1724-1804)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kant war auch ein Vordenker der Demokratie und des Völkerrechts. Hier Texte aus seiner Schrift Zum ewigen Frieden (1795): 

„Stehende Heere (miles pepetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören."

Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg, durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen; reitzen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt, zu übertreffen, und, indem durch die darauf verwandten Kosten der Friede endlich noch drückender wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursache von Angriffskriegen, um diese Last loszuwerden; wozu kommt, daß zum Tödten oder getödtet zu werden in Sold genommen zu seyn, einen Gebrauch von Menschen als bloßen Maschinen und Werkzeugen in der Hand eines andern (des Staats) zu enthalten scheint, der sich nicht wohl mit dem Rechte der [8/9] Menschheit in unserer eigenen Person vereinigen läßt *). Ganz anders ist es mit der freywilligen periodisch vorgenommenen Uebung der Staatsbürger in Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von außen zu sichern (…)

„Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewaltthätig einmischen." (…)

„Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der M e u c h e l m ö r d e r (percussores), G i f t m i s c h e r (venefici), B r e c h u n g d e r K a p i t u l a t i o n, A n s t i f t u n g des V e r r a t h s (perduellio) in dem bekriegten Staat etc." 

Das sind ehrlose Stratagemen. Denn irgend ein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes muß mitten im Kriege noch übrig bleiben, weil sonst auch kein Friede abgeschlossen werden könnte, und die Feindseligkeit in einen [12/13] Ausrottungskrieg (bellum internecinum) ausschlagen würde; da der Krieg doch nur das traurige Nothmittel im Naturzustande ist, (wo kein Gerichtshof vorhanden ist, der rechtskräftig urtheilen könnte) durch Gewalt sein Recht zu behaupten; wo keiner von beyden Theilen für einen ungerechten Feind erklärt werden kann (weil das schon einen Richterausspruch voraussetzt), sondern der A u s s c h l a g desselben (gleich als vor einem sogenannten Gottesgerichte) entscheidet, auf wessen Seite das Recht ist; zwischen Staaten aber sich kein Bestrafungskrieg (bellum punitiuum) denken läßt (weil zwischen ihnen kein Verhältniß eines Obern zu einem Untergebenen stattfindet). - Woraus denn folgt: daß ein Ausrottungskrieg, wo die Vertilgung beyde Teile zugleich, und mit dieser auch alles Rechts treffen kann, den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhofe der Menschengattung statt finden lassen würde. Ein solcher Krieg also, mithin auch der Gebrauch der Mittel, die dahin führen, muß schlechterdings unerlaubt seyn. -

Daß aber die genannte Mittel unvermeidlich dahin führen, erhellet daraus: daß jene höllische Künste, da sie an sich selbst nie-[13/14] derträchtig sind, wenn sie in Gebrauch gekommen, sich nicht lange innerhalb der Grenze des Krieges halten, wie etwa der Gebrauch der Spione (vti exploratoribus), wo nur die Ehrlosigkeit A n d e r e r (die nun einmal nicht ausgerottet werden kann) benutzt wird, sondern auch in den Friedenszustand übergehen, und so die Absicht desselben gänzlich vernichten würden. 

Das Völkerrecht soll auf einen F ö d e r a l i s m freier Staaten gegründet seyn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Militärpfarrer

 

 

 

 

 

 

Indochinakrieg, 1953

<<< Fünfzehn Tage lang an der Spitze der Vorhut, war Miros jeden Augenblick darauf gefasst, auf eine Mine zu treten, oder, als wir den Dschungel durchquerten, in eine Fallgrube zu stürzen und aufgespießt zu werden. Er weigerte sich, wie sonst üblich, diesen gefährlichen Job abwechselnd anderen zu überlassen.

"Hier kann ich wenigstens nicht in einen Hinterhalt geraten", sagte er nicht ohne Ironie. "Du in der Mitte, beim Stab, bist viel mehr gefährdet als ich da vorn. Und ich habe sogar einen geistlichen Beistand. Der Pfarrer war ein paar Mal vorn bei mir, um, wie er sagte, nach dem Rechten zu sehen. Ein Geistlicher müsse überall präsent sein. Ich habe ihn gefragt, ob es nicht genüge, dass der liebe Gott allgegenwärtig ist. Le bon Dieu habe ich gesagt."

"Der gute Gott."

"Ja. Der Pfarrer hat meine Ironie nicht bemerkt, vielleicht auch nicht bemerken wollen, denn er hat darauf geantwortet: Die meisten von euch wissen das nicht oder denken nicht daran, und ich muss bezeugen, dass niemand vor ihm verloren ist.

Ja was meinst du, was ich dann gesehen habe? Wir machten gerade Pause, und der Pfarrer ging pinkeln. Er öffnete seine Jacke und schob sie weit nach hinten, damit sie nicht bepinkelt werden konnte, und was kam da zum Vorschein? Eine Pistole. Er trägt sie an einem Halfter unter seiner Jacke. Ich habe ihn darauf angesprochen: Sie tragen eine Waffe, Herr Pfarrer?! habe ich erstaunt gesagt. Zuerst schien er überrascht, ich weiß nicht, ob darüber, dass ich es gesehen habe, oder über meine Frage. Dann lächelte er wie gesalbt und sagte: Du bist wohl noch nicht lange in Indochina. Die Viets, diese gottlosen Kommunisten, verstehen keine andere Sprache...

...als die der Waffen.

Ja. Wir sind hier, um dieses Land von ihnen zu befreien. Sie sollten es wissen, Caporal!

Und das ist auch Ihre Aufgabe, Herr Pfarrer?

Unsere, Caporal!  Es ist unsere Mission.

Am Ende der Kreuzzüge war alles verloren, Herr Pfarrer, habe ich zu ihm gesagt. Auf einmal hatte er es sehr eilig, zu verschwinden. Seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen."

"Was soll man dazu sagen, Miros? Ich weiß es nicht. Für dich kann ich nur hoffen, dass der Pfarrer deine defaitistischen Bemerkungen als ein Beichtgeheimnis hütet. Sonst machen sie dir die Hölle heiß."

"Er hat etwas zu verbergen, nicht ich, Renard." >>>

 

Aus: Der Ritt auf dem Ochsen oder Auch Moskitos töten wir nicht
Es hat sich tatsächlich so ereignet, wie Miros (Name geändert) es mir damals erzählt hat.  

© Dietrich Stahlbaum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die unsichtbaren Wunden des Krieges

 

 

 

 

 

 

Eine etwas andere Rezension

Traumatisiert, mit Orden als Trostpflaster, so kehrten zu allen Zeiten Soldaten aus Kriegen heim, und war dieser Krieg noch im Gange oder siegreich beendet, dann wurden sie als Helden empfangen. Denn das Grauen, das sie erlebt und verdrängt hatten, das ihnen noch gar nicht so ganz bewusst geworden war, sollte sie nicht eines Tages einholen können.

Helden zeigen ihre Wunden und Narben, die sichtbaren Wunden des Krieges, und sie sind stolz darauf. Sie zeigen nicht die unsichtbaren Wunden, an denen sie leiden, an denen sie solange leiden werden, wie sie sie vor sich selber verbergen. Auch die Zu-Hause-Gebliebenen sollen davon nichts erfahren. Das Selbstbildnis bekäme Risse, und ein Krieg ohne Helden wäre für die Daheim-Gebliebenen dasselbe wie eine Religion ohne Heilige. Also versucht man, das Leiden, das unsichtbare, klein zu halten, das immer wieder versucht, sich größer zu machen, und, da es nicht wahrgenommen wird, sichtbar zu werden.

Es trägt die Züge des Alkoholikers. Es bekommt die Augen des Drogensüchtigen. Es spricht die Sprache des Gewalttätigen. Und wenn der Held dann ganz vom Sockel stürzt, heißt es, dieser Mann gehört nicht mehr zu uns. Er hat sich ja selber von uns abgewendet.

Kriegsveteranen, die am Rande der Gesellschaft leben, an denen geht man, ohne hinzusehen, vorbei. Denn sie könnten ja einen, der zu Hause geblieben war, daran erinnern, dass der Zu-Hause-Gebliebene für diesen Krieg und das ganze Elend ebenso verantwortlich war (oder ist) wie der Soldat.

Diese für manche, die es lesen, merkwürdigen Sätze sind nicht aus dem Nichts entsprungen, sondern Niederschlag bitterer Erfahrung, die Viele „gemacht haben: Veteranen von 14/18, von 39/45, von vorherigen, von nachherigen Kriegen. Veteranen des Indochinakrieges, Veteranen des darauf folgenden Vietnamkrieges. Veteranen, die auf dem Balkan, in Afghanistan, im Irak Soldaten waren und nun in Kameradschaftsverbänden und bei Nationalfeiertagen ihre mit Orden geschmückte Brust schwellen lassen oder die 1969 oder 1970 zusammen mit hunderten anderer Vietnamveteranen in Washington D. C. ihre Orden über den Zaun vorm Weißen Haus geschmissen haben. Einer von ihnen war Claude AnShin Thomas.

Claude war siebzehn, als er zur Army ging und noch nicht zwanzig, als er aus Vietnam, schwer verwundet, nach Hause kam - stigmatisiert. Er fühlt sich für den Tod vieler Menschen verantwortlich und betäubt sich: Medikamente, Drogen, Alkohol. 23 Jahre später, 1990, begegnet er Thich Nhat Hanh. Der buddhistische Mönch darf nicht mehr nach Vietnam zurückkehren und betreut in den Vereinigten Staaten und in Frankreich Vietnam-Flüchtlinge und US-Kriegsveteranen. Claude lernt, über seine Erfahrungen zu sprechen und sich von seinem Kriegstrauma zu befreien. Er lebt mehrere Jahre in Plum Village, einem buddhistischen Zentrum bei Bordeaux, das Thich Nhat Hanh gegründet hat. Er wird Mönch. Er wird im Peace-Maker-Orden aktiv. Er veranstaltet Seminare und Straßenretreats und kümmert sich um Strafgefangene. Er pilgert, von einer Gruppe Gleichgesinnter begleitet, durch Nordamerika, Asien und Europa, einmal von Auschwitz nach Hiroshima, mitten durch Kriegsgebiete.

In Bosnien spricht er mit Scharfschützen beider Seiten, in Wien und Rom zu Studenten und Professoren. Ein echter Bhikkhu, der nichts besitzt als zwei paar Schuhe und seine drei Roben, ein Hausloser, ein Wandermönch wie zu des Buddhas Zeiten.

Jetzt hat Claude AnShin seine (Selbst)Erfahrungen in einem Buch* zusammengefasst. Darin schildert er das Leiden, aus dem Gewalt, Krieg, hervorgeht. Er spürt den tieferen Ursachen nach. Wir sind gewohnt, sie „draußen, bei Anderen, zu suchen. Claude AnShin findet sie in sich selber, in unserer Natur, in unserer Kultur:

„Krieg ist nicht etwas, das uns äußerlich geschieht; meinem Verständnis und meiner Erfahrung nach ist Krieg ein kollektiver Ausdruck individuellen Leidens.

Krieg, sagt er, werden wir nie ganz abschaffen können. „Wir können jedoch das Antlitz des Krieges verändern. „Wir müssen mit dem Feind zusammensitzen, denn der Feind ist niemand anders als wir selbst. „Wenn wir das verstehen und akzeptieren, dann werden wir anfangen, Frieden zu finden.

Claude hat diesen Frieden gefunden – in sich selber. Das befähigt ihn, Frieden zu stiften. Er zeigt uns, dass es möglich ist, unsere eigenen Gewalterfahrungen zu transformieren, indem wir lernen, Konflikte, wo immer sie auch auftreten, friedlich zu lösen.

Sein Buch könnte vor allem vielen jungen Menschen, die Militär- und Kriegsdienst leisten wollen, die Augen öffnen.

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Im April 2002 bin ich ihm bei seinem Vortrag über „Die Grundlagen des Friedens in Bochum begegnet. Wir hatten ein langes und sehr bewegendes Gespräch. Denn ich bin ja auch als Soldat in Vietnam gewesen, als Pazifist heimgekehrt und Buddhist geworden – dank eines Vietnamesen: Thich Nhat Hanh.

*Claude AnShin Thomas: Krieg beenden, Frieden leben. Ein Soldat überwindet Hass und Gewalt, 140 Seiten, Theseus Verlag Berlin 2003, 14,90 Euro.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachtrag

 

 

 

 

 

 

auf den Einwand „Der Innere Friede Genügt Nicht.

Da muss ich wohl ein kleines Missverständnis wegräumen, denn auch aus meiner Sicht „Genügt „Der Innere Friede „Nicht.  (…) Hier geht es um ein Buch, in dem individuelle Prozesse, Leid-Erfahrungen, aufgezeigt werden. Denn es sind nicht allein politische und soziale, es sind multikausale, kollektive und individuelle Prozesse, die Aggressivität, Gewalt, Krieg hervorbringen. Deshalb gehören Friedenspolitik und Friedenserziehung komplementär zusammen.

Claude AnShin schildert, was in ihm selber abgelaufen ist. Er zeigt uns, wie sehr uns Kindheitserlebnisse und spätere Jugenderfahrungen prägen, unser Weltbild, unser Lebensgefühl bestimmen, unser Sensorium und damit die Art und Weise unserer Wahrnehmungen (der Plural ist gewollt). Er beschreibt, wie ihn die Traumen seiner Kindheit veranlasst haben, selber gewalttätig zu werden und als Siebzehnjähriger (wie ich übrigens auch*) in den Krieg zu ziehen, um „sich zu beweisen„, wie er als Neunzehnjähriger mit einer Kriegspsychose heimkehrt und Jahre später, nach weiteren Versuchen, sich selber zu entfliehen, seine Traumata verarbeiten und sie schließlich loswerden kann. Er steht als Zeitzeuge für Generationen von Kriegsveteranen, von denen es einigen wenigen gelang, aus eigener Kraft - wie es der authentische Buddha selber praktiziert und gelehrt hat – sich von seinem Leiden, einem geistigen Elend, zu erlösen, sich zu – emanzipieren: ein freier Mensch zu werden und Friedensarbeit zu leisten.

Es ist der subjektive Faktor, wie wir es in den 68-er Jahren genannt haben. Er wird heute kaum beachtet und von Theoriebefrachteten Politologen regelrecht ignoriert. Ohne tiefenpsychologisch verstehbare Motivation gäbe es keinen Menschen, weder „gemeiner Mann noch General, der unter bestimmten Umständen von sich aus oder auf Befehl aggressiv, gewalttätig, kriegerisch wäre. (Ich meine nicht Notwehr und vorbeugende Selbstverteidigungsmaßnahmen.)

Wie groß die Gehorsamsbereitschaft und wie niedrig die moralischen Schranken sind, das haben Anfang der sechziger Jahre die (Stanley) Milgram-Experimente gezeigt. (Im Internet unter: http://www.stangl-taller.at/TESTEXPERIMENT/experimentbspmilgram.html )

Wenn es diese subjektiven, verursachenden Faktoren gibt, dann liegt es nahe, sie in die Friedensarbeit einzubeziehen und bei sich selber anzufangen. Claude AnShin und Thich Nhat Hanh tun das ebenso wie, auf seine wissenschaftliche Weise, Horst-Eberhard Richter.

Es wird sich erweisen, ob die destruktiven Energien, die sich in der gesamten Menschheit aufgeladen haben, kulturell transformiert werden können oder ob eine Selbstzerstörung nicht mehr aufzuhalten ist. Selbstzerstörerisch sind ja nicht allein Selbstmordattentäter/innen.

Diesem kollektiven und zugleich individuellen Gewaltpotential entsprechen die heutigen und künftigen Waffenarsenale und entspricht die strukturelle Gewalt, die vom Triumvirat Bush-Rumsfeld-Cheney instrumentalisiert und, wenn die Weltgemeinschaft es nicht verhindert, globalisiert werden wird. (…)

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* Ich habe nach 1954 zehn, elf oder zwölf Jahre lang Nacht für Nacht, an die Wand gestellt, auf Gewehre gestarrt, habe manchmal Unverständliches geredet, auch herumkommandiert und sehr oft aufgeschrieen. Als Pimpfe hatten wir noch gesungen: „Frischauf Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, ins Feld, in die Freiheit gezogen! Im Felde, da ist er Mann noch was wert, da wird sein Herz erst gewogen… Unsere Großväter sangen dieses Lied noch nach 1918. Unsere Väter haben es nach 1945 nicht mehr gesungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FRIEDEN nach dem Krieg im Irak – aber wie? Fragen an die Friedensbewegung

 

 

 

 

 

 

Eine Friedensbewegung, die diesen Namen verdient, kann nicht nur NEIN sagen zum Krieg, demonstrieren, boykottieren und blockieren, sie muss auch die Ursachen von Gewalt und Krieg ergründen und sagen können, wie dauerhafter Frieden möglich werden kann, jetzt z. B. im Irak, in der ganzen Golfregion. Plakative Schwarz-weiß-Malerei hilft da wenig.

In einigen pazifistischen Gruppen und Organisationen werden Vorschläge für die Lösung friedenspolitischer Probleme im Kosovo, in Afghanistan, in Israel/Palästina und jetzt im Irak diskutiert, Vorschläge auch für eine Weltfriedensordnung. Und es werden die tieferen Ursachen für Gewalt, Krieg, Aggression benannt und „Therapien vorgeschlagen. Ich selbst habe mir auf Grund eigener (Gewalt- und Kriegs-) Erfahrungen Gedanken darüber gemacht und sie zum Teil hier im Forum, in meiner HP und in meinem Roman publiziert.

Viele leisten in aller Welt praktische Friedensarbeit, ohne viel darüber zu reden. Denn mehr Wert als tausend Worte sind Frieden fördernde, Frieden stiftende Taten, ist friedsames Verhalten.

Ja, es gibt da noch viele Fragen, die in der Friedensbewegung geklärt werden müssen, wenn wir wenigstens auf die künftige Politik Deutschlands Einfluss nehmen wollen. Proteste allein genügen nicht!

Zur Friedenspolitik gehört eine Kultur des Friedens. Muss sie nicht erst einmal entwickelt werden?

Vielleicht können wir uns hier über diese und andere, ganz konkrete, praktische Fragen austauschen. Als Thema schlage ich vor:

FRIEDEN nach dem Krieg im Irak – aber wie?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Krieg und Eros

 

 

 

 

 

 

Mit der These „Krieg entsteht aus sexueller Unterdrückung reduziert man das Gewaltproblem monokausal: auf eine Ursache und mit der Parole „Make love not war! auf eine Aufforderung, die sehr eindeutig erscheint und so dann auch von Achtundsechzigern bis zum Überdruss befolgt worden ist, obwohl dieses „Make love! mehr als purer Sex bedeutet. Du meinst die „natürliche Sexualität, die, wenn sie unterdrückt wird, zur Gewalttätigkeit führt.

Die Achtundsechziger beriefen sich damals auf Wilhelm Reich und verbreiteten Raubdrucke aus den 20/30-er Jahren. Reich vertrat dieselben Thesen. In seiner Massenpsychologie des Faschismus (1932) ist viel Wahres, ebenso in Die sexuelle Revolution, Charakteranalyse und Einbruch der Sexualmoral.

In Einbruch… kommentiert er die ethnologischen Beobachtungen B. Malinowskis, der, wie auch Margaret Mead, die Lebensweise eines Volksstammes in Melanesien erforscht hat: der Trobiander. Sie waren friedliche, weil zufriedene Menschen in einer mutterrechtlichen Gesellschaft, die ihre natürliche Sexualität ohne Tabus ausleben konnten.

Nun wäre es sicherlich falsch, allein damit ihre Friedfertigkeit zu erklären, ebenso wie die gegenteilige Schlussfolgerung, Gewalt-, Kriegsbereitschaft, KRIEG habe eine einzige Ursache: sexuelle Unterdrückung, weil sie Frust und dieser Aggressivität und Kampflust erzeugen kann. Dann hätten diejenigen, die es wohl am besten wussten, die französischen Militärbehörden, in Algerien und Indochina keine Militärbordelle bereitgestellt und der marokkanischen Kolonialtruppe nicht erlaubt, eigene mobile Bordelle im Tross mitzuführen. Dies gehörte in der Tat zu der schlimmsten sexuellen Unterdrückung – der Frauen! Außerdem wäre die bei den Kolonialtruppen und der Legion übliche Homosexualität verboten und bestraft worden.

Auch in der Deutschen Wehrmacht, wie ich sie 1944/5 erlebt habe, wurde kein Soldat zu sexueller Enthaltsamkeit gezwungen. Zwar galt das Gewehr als „Braut des Soldaten, da er es – perverserweise - zu lieben (und dementsprechend zu pflegen) habe, und aus der Tiefenpsychologie wissen wir, dass die Pistole ein Phallussymbol ist. Franz Joseph Strauss hat ein solches dem philippinischen Diktator Marcus geschenkt. Aber das wären keine Beweise für deine These.

„Make love not war! Wenn du dies nicht als Aufforderung zu einem ebenfalls brutalen Akt bloßer Triebbefriedigung verstehst, sondern damit EROS meinst, den Geschlechtstrieb, verbunden mit liebevoller Zärtlichkeit, und den Erkenntnistrieb, verbunden mit (geistig) schöpferischer Kraft, dann kann ich dir voll und ganz zustimmen.

Ähnlich sah es Sigmund Freud: „ Wenn die Bereitwilligkeit zum Krieg ein Ausfluss des Destruktionstriebs ist, so liegt es nahe, gegen sie den Gegenspieler dieses Triebes, den Eros, anzurufen. Alles, was Gefühlsbindungen unter den Menschen herstellt, muss dem Krieg entgegenwirken. Diese Bindungen können von zweierlei Art sein. Erstens Beziehungen zu einem Liebesobjekt, wenn auch ohne sexuelle Ziele. (…) Die andere Art von Gefühlsbindung ist die durch Identifizierung. Alles, was bedeutsame Gemeinsamkeiten unter den Menschen herstellt, ruft solche Gemeingefühle, Identifizierungen, hervor. Auf ihnen ruht zum guten Teil der Aufbau der menschlichen Gesellschaft.*)

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*) Aus einem Brief an Albert Einstein vom September 1932, in: Das Unbewusste – Schriften zur Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1950, S.428

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gruß nach vorn

 

 Karlheinz Deschners Buch DER MOLOCH

Wer wie Karlheinz Deschner seit 45 Jahren in den Archiven der Weltgeschichte herumstöbert, stößt dabei auf unterdrückte, totgeschwiegene Indizien und Fakten, die das an unseren Schulen und Hochschulen gelehrte, sowie durch alle Medien verbreitete Geschichtsbild in Frage stellen. Ich kenne die wichtigsten seiner Werke, ihn auch persönlich, und war anfangs der Faszination seines rigorosen, zupackenden, polemisch anklagenden Stils „erlegen, der Art und Weise, wie er die Dinge fokussiert und „auf den Punkt bringt; dann aber sagte mir mein psychologischer Sinn, dass es zwar richtig ist, die dunklen Seiten der Geschichte zu beleuchten, dass der Völkerverständigung und dem Friedensgedanken jedoch mehr gedient ist, wenn man die Fakten selber sprechen lässt und auf Kommentare, mehr oder minder offene Schuldzuweisungen verzichtet.

Aufklärung über historische Zusammenhänge tut not. Nur sollte man dabei nicht den Eindruck entstehen lassen, die gesamte Geschichte sei eine Skandalgeschichte und allein aus einem kriminalistischen Blickwinkel zu verstehen.

Allerdings wäre es völlig falsch, Deschner dahin misszuverstehen, dass er deutsche historische Schuld gegen – hier zum Beispiel - US-amerikanische Schuld abwägen und womöglich aufheben wolle. In allen seinen Werken ist kein Versuch, deutsche Geschichte reinzuwaschen.

Auch wenn von Amerikanern politische Verbrechen, Kriegsverbrechen, individuelle und kollektive Schandtaten begangen worden sind, - die historische Last, die wir uns, sei es durch Unkenntnis, Ignoranz, Gleichgültig- und Bequemlichkeit, politische Dummheit und Unachtsamkeit oder durch Hab- und Machtgier, aufgebürdet haben, müssen wir schon selber tragen wie der Sisyphus den Stein. Mit dem Wegsterben meiner (Kriegs-)Generation (Jg. 26) wird dieser Stein zwar leichter - für die Jüngeren; aber sie können daraus lernen, neues Unrecht, neues Unheil zu verhindern und dafür zu sorgen, dass dieser Mahnstein nicht wieder schwerer wird.

Dies (mit Tucholsky) als „Gruß nach vorn

 

 

 

 

 

Kriege und ihre Ursachen - I. und II. WK

 

Ich verstehe sehr gut, dass man nicht ewig Demütigungen ausgesetzt sein will und endlich aufrecht gehen möchte, als einzelner Mensch, als Volk, als Nation. Denn ich selber habe Demütigungen ertragen müssen, persönliche, im (völkisch-deutschnationalen, dann nationalsozialistischen) Elternhaus, in der Schule, beim Militär (besonders während der Ausbildung in der Légion Étrangère, wo nach 45 deutsche Kommissköppe das große Sagen hatten). Mein Rückgrad wurde dadurch aber nicht gebrochen, sondern gestärkt, nachdem ich darüber nachgedacht und erkannt habe, warum so viele Menschen Mitmenschen herabsetzen, erniedrigen, verletzen, quälen, „bestrafen (müssen). Die meisten von ihnen haben das Gleiche erlitten und treten nach unten, um sich abzureagieren. Dabei bemerken sie nicht, dass sie aus dem Mühlrad, welches sie durch ihr Treten in Schwung halten, so nicht herauskommen. Das „Mühlrad veranschaulicht hier autoritäre Systeme, die Tretenden sind Untergebene, Untertanen, die auf diese Weise nach oben kommen wollen, nicht etwa, um das Mühlrad abzuschaffen und wirklich frei zu werden, sondern weil sie glauben, mehr Macht über Menschen bedeute weniger Leiden an der eigenen Ohnmacht, über die das Treten-Dürfen nicht hinwegtäuschen kann. Ja, auch diese Menschen leiden!

In der Légion ist mir klar geworden (Mein Roman Der Ritt auf dem Ochsen oder Auch Moskitos töten wir nicht erzählt einiges davon), dass Hass und Gewalt, Aggressivität, Krieg, das Destruktive im Menschen Folgen psychischer Verletzungen (Minderwertigkeitskomplexe), materieller Entbehrungen, einer tiefen, einer Existenz-Angst sein können, Folgen von Vergeltungssucht, Folgen eines maßlosen Besitztriebs, der Raffgier, der Herrschsucht, des Größenwahns – des Leidens an sich selber. Die Biografien „kleiner wie „großer Leute zeigen es, wenn kompetente, gewissenhafte Autoren sie geschrieben haben.

Dies sind aus meiner Sicht tiefere Ursachen auch des Zweiten Weltkriegs (II.WK). Ich begreife Geschichte eher als Pathografie, als Leidens-, als Krankengeschichte denn als Kriminalgeschichte wie Deschner, der desillusionierte Idealist.

Die Ursachen dieses Krieges sind vielfältig und monokausal nicht hinreichend zu erklären. Der II WK ist eine Folge des ersten. Die Ursachen des ersten sieht Fritz Fischer in der Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18. So der Untertitel seines Buches Griff nach der Weltmacht 1994, DROSTE. Seine Thesen werden angefochten, nicht jedoch die Fakten, die er zur Begründung herangezogen hat.

Der II.WK ist nach meiner Auffassung eine Folge des ersten, weil eines der Grundübel, die zu Völkerfeindschaft und Kriege führen, der Nationalismus mit seinem Militarismus, mit seinem Bellizismus * aus der völkisch-deutschnationalen Kaiserzeit vom rassistischen Nationalsozialismus übernommen und übersteigert worden ist. Es ist ein „kollektiver Egoismus, der seine Interessen gegen die Interessen anderer Nationen, anderer Völker rücksichtslos durchsetzen will. Hitler griff ganz im Sinne großer Teile der deutschen Industrie, des Militärs und des Mittelstandes wie der deutsche Kaiser nach der Weltmacht. Und wie stets bei solchen wahnwitzigen Vorhaben musste der Patriotismus, die Liebe zum VATERland, herhalten, um uns Deutsche als Volk zusammenzuschweißen und kriegswillig zu machen. Außerdem wurde dazu eine Bedrohungskulisse aufgebaut, wie wir sie von den Zeiten des Kalten Krieges und neuerdings wieder kennen.

Schon bei der Reichstagssitzung am 30. Januar 1939 hatte Hitler seine Kriegsabsichten seinen Feinden unterschoben und gedroht:

"Wenn es dem internationalen Finanzjudentum gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa."

(Hervorhebungen von mir, D. St. Vergleiche Hohmanns Rede!)

Die nationalsozialistische Ideologie stammt aus verschiedenen, zum Teil älteren Quellen. Aber sie trägt Hitlers persönlichen Stempel, den Stempel eines Hass erfüllten Demagogen:

"Der Kampf hat den Menschen groß gemacht... Welches Ziel der Mensch auch erreicht hat, er verdankt es seiner Schöpferkraft und seiner Brutalität. (…) Das gesamte Leben lässt sich in drei Thesen zusammenfassen: der Kampf ist der Vater aller Dinge, die Tugend ist eine Angelegenheit des Blutes, Führertum ist primär und entscheidend (…)

Unser Volk muss bewusst planmäßig zum fanatischen Nationalismus erzogen werden. (…) Indem wir dieses Volk erziehen zum Kampf gegen den Wahnwitz der Demokratie. (…) Wegreißen von dem Unsinn des Parlamentarismus.(…) Indem wir dieses Volk herausreißen aus dieser Atmosphäre des erbärmlichen Glaubens. (…) an Versöhnung, Verständigung, Weltfrieden, Völkerbund, internationale Solidarität. Indem wir diese Begriffe zerschlagen…"

(In einer Rede auf einer Versammlung in München, lt. Völkischer Beobachter v. 23./24. 9. 1928)

Der Katholik Hitler wollte keine Erziehung zu christlicher Feindesliebe, sondern Menschenzüchtung nach Charles Darwin. Er wusste, Unwissenheit und Mangel an Urteilsfähigkeit machen den Menschen hörig und leicht verführbar:

"(...) Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich... Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein... Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend..."

(Aus Gespräche mit Hitler, notiert von H. Rauschning 1940, S.237)

Es wird behauptet, der II. WK sei Deutschland aufgezwungen worden. Bereits 1926/7 hatte Hitler die Idee eines Raubkrieges in Osteuropa:

"...Nur ein genügend großer Raum auf dieser Erde sichert einem Volke die Freiheit des Daseins... kommt der Grundfläche eines Staates außer ihrer Bedeutung als direkter Nährquelle eines Volkes auch noch eine andere, die militär politische, zu... Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir... gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft.

(...)Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Russland und die ihm untertanen Randstaaten denken..."

(Mein Kampf, S.728-742)

Hitler umwarb bereits 1927 die deutschen (Rüstungs-)Industriellen mit Erfolg:

"Jedes Volk braucht zur Entfaltung seines eigenen Ichs den nötigen Raum auf dieser Welt. Die Aufgabe der Politik ist es, dafür zu sorgen, dass einer veränderlichen Zahl der starre Raum stets angepasst und angeglichen wird... muss die Politik es als ihre höchste Aufgabe betrachten, diesem natürlichen Imperialismus die ebenso natürliche Befriedigung zu geben... Und anstatt die Notwendigkeit des Kampfes zu erkennen und zu bejahen, predigt man die Theorie des Pazifismus, der Völkerversöhnung und des ewigen Weltfriedens (...)"

(Aus einer geheimen Broschüre für Industrielle Der Weg zum Wiederaufstieg, 1927)

Deutschen Generälen kamen Hitlers Pläne ebenfalls sehr gelegen:

"(...) Als Kontinentalmacht werden wir letzten Endes unsere Siege auf der Erde gewinnen müssen. Und solange die Ziele eines deutschen Sieges nur in Ost Eroberungen liegen können, wird auch nur das Heer, durch Eroberungen im Osten (...) die letzte Entscheidung bringen..."

(Generaloberst v. Fritsch, Oberbefehlshaber des Heeres, in einer Denkschrift vom August 1937)

Auch im November 1937 ließ Hitler keinen Zweifel daran, dass er den Krieg wollte und weshalb:

"Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und Erhaltung der deutschen Volksmasse"(!)"und deren Vermehrung, somit handle es sich um das Problem des Raumes... Wenn die Sicherheit unserer Ernährungslage im Vordergrunde stände, so könne der hierfür notwendige Raum nur in Europa gesucht werden... Es handle sich nicht um die Gewinnung von Menschen, sondern von landwirtschaftlich nutzbarem Raum. Auch die Rohstoffgebiete seien zweckmäßigerweise im unmittelbaren Anschluss an das Reich in Europa.. zu suchen... Dass jede Raumerweiterung nur durch Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen könne, habe die Geschichte aller Zeiten... bewiesen... Für Deutschland laute die Frage, wo größter Gewinn unter geringstem Einsatz zu erreichen sei... Anwendung von Gewalt unter Risiko... Zur Verbesserung unserer militärpolitischen Lage müsse in jedem Fall bei einer kriegerischen Verwicklung unser erstes Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen... so könne die Einverleibung der Tschechei und Österreichs den Gewinn von Nahrungsmitteln für 5 6 Millionen Menschen bedeuten unter Zugrundelegung, daß eine zwangsweise Emigration" (gemeint: Vertreibung Nichtdeutscher, D. St.) "aus der Tschechei von zwei, aus Österreich von einer Million Menschen zur Durchführung gelange..."

(Aus einer Niederschrift von Oberst Hoßbach über eine Besprechung mit Oberbefehlshabern und dem Reichsaußenminister in der Reichskanzlei am 5. 11. 1937)

Hitler im August 1939:

"Es handelt sich für uns um Arrondierung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung. Aufrollen des Ostsee und Baltikum Problems... Zwingt uns das Schicksal"(?)"zur Auseinandersetzung mit dem Westen, ist es gut, einen größeren Ostraum zu besitzen... Die Bevölkerung nichtdeutscher Gebiete... steht zur Arbeitsleistung zur Verfügung..."

(Aus dem Bericht des Oberstleutnant i. G. Schmundt über eine Besprechung in der Reichskanzlei am 23. August 1939)

Hitler missachtete bewusst jegliches Völkerrecht und erinnerte daran, dass dies auch 1914 deutscherseits geschehen ist:

"...Ich habe lange gezweifelt, ob ich erst im Osten und dann im Westen losschlagen sollte. Grundsätzlich habe ich die Wehrmacht nicht aufgestellt, um nicht zu schlagen. Der Entschluss zum Schlagen war immer in mir... Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos. Kein Mensch fragt danach, wenn wir gesiegt haben. Wir werden die Verletzung der Neutralität nicht so idiotisch begründen wie 1914.

(Aus einer Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern am 23. 11. 1939)

Zum Überfall auf Polen:

"...Die Aufgabe der Wehrmacht ist es, die polnische Wehrmacht zu vernichten. Hierzu ist ein überraschender Angriffsbeginn anzustreben und vorzubereiten. Die getarnte oder offene allgemeine Mobilmachung wird erst am Angriffsvortage zu dem spätest möglichen Termin befohlen werden..."

(Aus Hitlers Weisung vom 11. April 1939 zum « Fall Weiß », den Angriffsvorbereitungen gegen Polen)

Hitler plante und befahl der gleichgeschalteten Presse, einen Notwehrakt vorzutäuschen:

"...Keine Überschriften, in denen das Wort Krieg enthalten ist. Der Rede des Führers zufolge »schlagen wir nur zurück."

(Pressekonferenz vom 1. September 1939)

Nach dem Überfall auf den Vertragspartner Sowjetunion (seit September 1939) befahl der Chef des OKW, Generalfeldmarschall Keitel:

"Im Hinblick auf die weite Ausdehnung der besetzten Gebiete im Osten werden die für Sicherheitszwecke vorhandenen Kräfte in diesen Gebieten nur dann genügen, wenn jeder Widerstand bestraft wird, nicht durch gesetzliche Verfolgung der Schuldigen, sondern durch Verbreitung eines solchen Terrors durch die Wehrmacht, der geeignet ist, jede Neigung zum Widerstand unter der Bevölkerung auszumerzen...."

(Tagesbefehl vom 23. 7. 1941, dtv dokumente 1961, 109)

Lüge als Waffe Hitlers:

Die "Propaganda hat nicht objektiv auch die Wahrheit, soweit sie den anderen günstig ist, zu erforschen,... sondern ununterbrochen der eigenen zu dienen... Die Masse ist nicht in der Lage, nun zu unterscheiden, wo das fremde Unrecht endet und das eigene beginnt."

(Mein Kampf, S.200 u. 201)

Ein Gast meines Diskussionsforums wünscht sich „die moralische Gleichheit aller Länder. Das ist gut. Ich wünsche mir die volle Gleichberechtigung aller Menschen, aller Völker, aller Nationen in einer friedlichen Weltgemeinschaft. Aber noch haben wir nicht gelernt, die großen Konflikte ohne Gewalt, also politisch zu lösen und Interessengegensätze auf gerechte Weise auszugleichen. Wenn das gelänge, dann erst wäre die Menschheit emanzipiert. **

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*Bellizismus von lat. bellicus »kriegerisch, kriegstreiberisch« (nach WAHRIG dtv FWL)
** Emanzipation
von von lat. emancipatio: »Entlassung eines Sohnes aus der väterlichen Gewalt« (s.o.), wir können auch sagen: aus patriarchalischer Abhängigkeit und Bevormundung. Es ist ja kein Zufall, dass diejenigen, die uns das alles eingebrockt haben, wir Männer sind, von einigen wenigen Patriarchalinnen abgesehen.

 

 

 

 

Firma Bundeswehr?

 

 

Man kann, wie das kürzlich jemand tat, die BW mit einem modernen Dienstleistungsunternehmen vergleichen, aber nicht gleich setzen. Denn immerhin bedienen Soldaten der NATO-Bündnispartner die gefährlichsten Tötungsmaschinen, die es gibt. In ihren Händen ist ein Zerstörungspotential, das den Globus innerhalb von Minuten in eine Mondwüste verwandeln kann.

Ganz abgesehen davon, dass, wenn ein Privatunternehmen gegen Gesetze verstößt, eine Rüstungsfirma z. B. gegen ein Außenhandelsgesetz, welches verbietet, Waffen in Krisengebiete zu exportieren, jeder Angestellte sogar verpflichtet ist, dies anzuzeigen.

Die BW ist zwar wie jedes Militär eine hierarchische Organisation, aber sie ist zugleich – zumindest formal - in eine demokratische Gesellschaft integriert. Auch der Soldat ist (oder: sollte sein) mündiger Staatsbürger. Er ist ebenso wie alle anderen an die Verfassung, an das Grundgesetz, gebunden, darüber hinaus an das Soldatengesetz, das unter Umständen sogar Befehlsverweigerung vorschreibt und Vorgesetzten verbietet, völkerrechtswidrige Befehle zu erteilen.

Das Grundgesetz verbietet den Angriffskrieg, auch seine Vorbereitung, und bindet den Staat an das Völkerecht. Deshalb hat der BW-Major Pfaff * bereits kurz vor Beginn des 2. Golfkrieges am 20. März 2003 erklärt, er werde verfassungswidrige Maßnahmen der Bundeswehr – hier die militärische (logistische) Unterstützung eines Angriffskrieges (Irak) - nicht mittragen. Dass dieser Krieg unter Missachtung des Völkerrechts und der Menschenrechte begonnen wurde und geführt wird, pfeifen heute die Spatzen von allen Dächern, hätte man früher gesagt, als es diese Vögel noch in großen Schwärmen gab. Die „Arbeitsverweigerung des Major Pfaff „basiert durchaus nicht „auf seinen persönlichen weltanschaulichen Erkenntnissen, sondern auf den – teils bitteren – Einsichten von immer mehr Menschen in aller Welt; darunter sind „prominente einstige Befürworter dieses Krieges und BW-Soldaten aller Ränge.

Selbst in den USA weigern sich immer mehr Soldaten, für das Kapital in den Krieg zu ziehen. (Google-Suchwort: „NOT IN OUR NAME und Diskussionsteil des ZEITFRAGENFORUMS unter „Aufruf des Gewissens, sowie Link Bring them home!) Und israelische Luftwaffenoffiziere verweigern Einsätze, unter denen die palästinensische Zivilbevölkerung meistens mehr zu leiden hat als der „militärische Arm von Al Fatah.

Wenn mit Rücksicht auf unseren Handelspartner USA, von dem wir in hohem Maße exportabhängig sind, die offizielle Seite (Regierung wie Opposition und veröffentlichte Meinung) Eiertänze vorführt und die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Krieges offen lässt, darf das kein Grund sein, die Moral in den Wind zu hängen. Und wie lange die juristischen Mühlen mahlen, bis sie zu einem Ergebnis kommen, sehen wir z. B. beim Prozess gegen Major Pfaff *, der gerade mal die erste Instanz (ein Truppengericht) durchlaufen hat. Indessen wird, jedes Aufsehen vermeidend, an der teils nicht, teils desinformierten Bevölkerung Europas vorbei eine EU-Militärmacht mit weltweit einsetzbaren Eingreiftruppen aufgebaut, und es wird die Rüstungsspirale in neue, gefährliche Höhen getrieben, anstatt die Not-wendigen sozialen Maßnahmen zu finanzieren.

Wir Deutschen haben allen Grund, vor derartigen Entwicklungen, die eine solche Eigendynamik bekommen können, dass sie nicht mehr kontrollier- und lenkbar sind, zu warnen, allen voran die Militärs selber. Sie sind kompetenter als der abnickende Vorderbänkler im Bundestag. Sind wir nicht schon oft genug in Folge unserer Folksamkeit ins Desaster geritten worden?!

11. 08. 04

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* Major Pfaff ist wegen seiner Weigerung, an Maßnahmen der BW zur Unterstützung des Irakkrieges mitzuwirken, von einem Truppengericht zum Hauptmann degradiert worden und in die Berufung gegangen. Darüber haben wir diskutiert: http://f27.parsimony.net/forum66372/ . Suchwort « Major Pfaff »

 

 

 

 

 

 

 

 

© Dietrich Stahlbaum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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